Die ab 2015 geplante Demographie-Rücklage der großen Koalition steht schon jetzt in der Kritik. Einige Experten halten die Einführung für 20 Jahre zu spät, andere sehen darin keine wesentliche Änderung an den demographischen Gegebenheiten und prognostizieren einen drastischen Sprung der Pflegebeiträge nach oben.
Helmut Laschet stuft die geplante Rücklage in der „ÄrzteZeitung“ als „homöopathische Therapie“ an der absehbaren Finanzierungslücke der gesetzlichen Pflegeversicherung ein. Er hält den Beginn dieser Maßnahme für deutlich zu spät und verweist auf die bereits bestehenden Rücklagen im privaten Versicherungssektor, die einem bei null beginnenden Aufbau in der gesetzlichen Pflegeversicherung gegenüberstünden.
Aktuelle Rücklage von 260 Mrd. Euro erforderlich
„Ende 2012 verfügte die private Pflegeversicherung über akkumulierte Alterungsrückstellungen von fast 26 Milliarden Euro. Die zehnmal größere gesetzliche Pflegeversicherung hätte vergleichbar dazu bereits 260 Milliarden Euro anhäufen müssen. Diese Relationen verdeutlichen: Der demografische Zug ist abgefahren.“
Auch der Pflegeforscher Heinz Rothgang von der Universität Bremen betrachtet die geplante Rücklage kritisch. Die große Koalition will den Vorsorgefonds für die geburtenstarken Jahrgänge der „Babyboomer“ auflegen. Er soll gefüllt sein, wenn diese in den Jahren 2035 bis 2055 den Gipfel ihrer Pflegebedürftigkeit erreichen.
Rothgang weist die Darstellung der Politik, es ginge um die zwischenzeitliche Finanzierung eines besonders hohen Pflegebedarfs, zurück. Zwar werde die Zahl der Pflegebedürftigen ab der Mitte der 2050er Jahre tatsächlich wieder sinken. Entscheidend für den mit der Vorsorge zu stabilisieren Beitragssatz sei aber das Verhältnis von Beitragszahlern und und Pflegebedürftigen. Und dieses verbessere sich auch nach 2055 nicht substanziell, weil wegen der anhaltend niedrigen Geburtenraten die Beitragszahler ausblieben.
Am Gipfel der Pflegebedürftigkeit ist der Fonds leer
Rothgang prognostiziert einen drastischen und plötzlichen Anstieg des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung nach dem Verzehr der geplanten Rücklage Kritik übt er auch der zeitlichen Planung der Bundesregierung: „Wenn das in den nächsten 20 Jahren angesammelte Kapital wie von der Koalition geplant im Zeitraum 2035 bis 2055 vollständig ausgegeben wird, ist der Fonds genau dann wieder leer, wenn die höchste Zahl an Pflegebedürftigen erreicht wird“.
Die langen Planungszeiträume geben zudem Anlass zu Befürchtungen im Hinblick auf politische Risiken. Die Politik könnte bei einer der künftigen finanziellen Engpässe versucht sein auf die angesparten Mittel zuzugreifen. Derzeit ist zudem völlig unklar, wie Geld sicher und zugleich mit einer positiven Realrendite angelegt werden könnte. Ohne Erträge auf das Fondsvermögen dürften die Ziele in noch weitere Ferne rücken.