Pflegereform: Künftig weniger Geld für viele Versicherte?

Noch in dieser Legislaturperiode plant die Bundesregierung eine tiefgreifende Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung. Ziel soll es sein, die Bedingungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige zu verbessern. Einer Studie der Universität Bremen zufolge, wird dadurch jedoch mehr als jeder Vierte Versicherte weniger Geld erhalten.

Es besteht Reformbedarf bei der 1995 eingeführten gesetzlichen Pflegeversicherung in Deutschland. Zwar wurde 2002, 2012 und zuletzt im Januar 2015 mit ergänzenden Gesetzen nachgebessert, Demenzkranke z. B. erfüllen laut Prüfregularien aber bis heute nicht die Kriterien, die eine Pflegestufe rechtfertigen würden – trotz teils erheblichen Pflegeaufwands. Die Pflegestufe entscheidet darüber, ob und wie viel die Versicherungsgesellschaft an die Versicherten auszahlt.

Weniger für neu beantragte Pflegestufen

Nun soll der Begriff Pflegebedürftigkeit gänzlich neu definiert, und die Situation für Pflegebedürftige und Angehörige merklich verbessert werden. Doch wenn dieser zweite Schritt der zu Beginn dieses Jahres begonnen Pflegereform umgesetzt wird, werden nicht alle Versicherten davon profitieren, fanden nun Forscher der Universität Bremen heraus. Tatsächlich wird mehr als ein Viertel aller Betroffenen weniger Geld erhalten als dies nach aktueller Gesetzeslage der Fall wäre.

Finanzielle Einbußen: Hunderttausende betroffen

Zwar beträfen die Änderungen nur Neuanträge auf eine Pflegestufe – wessen Pflegebedürftigkeit bereits festgestellt wurde, der erhält weiterhin seine gewohnten Bezüge und darf seine bisherige Pflegestufe behalten – dennoch wären hunderttausende Menschen mit teils schweren körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen negativ von der Reform betroffen, so die Experten. Laut der Studie würden etwa 28 Prozent der Heimbewohner, die nach heutigem Stand in Pflegestufe I oder II fallen würden, weniger Geld erhalten, bei Patienten der Pflegestufe III immerhin noch 9 Prozent. Das bedeutet: Wer in den kommenden Jahren zum Pflegefall wird, hat unter Umständen das Nachsehen.

Details zur Studie und der Höhe der drohenden finanziellen Einbußen sind bislang nicht bekannt, die Studie soll in den kommenden Wochen veröffentlicht werden.

Die Kehrseite: Viele Versicherte profitieren von Pflegereform

Die Reform wird nicht nur Nachteile bringen, sondern ihren eigentlich Sinn und Zweck, eine Verbesserung der Absicherung im Pflegefall, in Teilen auch erfüllen, wie die Wissenschaftler herausfanden. So würden 31 Prozent der Versicherten aus Pflegestufe I und 38 Prozent der Pflegestufe II im Vergleich zu heute mehr Geld erhalten. In der höchsten Pflegestufe III würden sogar 45 Prozent der Versicherten finanziell von der Reform profitieren. Sie sind die Gewinner der geplanten Pflegereform. Doch geht ihr Gewinn zu Lasten der anderen Versicherten?

Nicht ganz. Die Mehrausgaben sollen in Teilen auch aus Bundesmitteln finanziert werden. 2,4 Milliarden Euro mehr als bisher soll die gesetzliche Pflegeversicherung den Steuerzahler nach der Reform laut Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums pro Jahr kosten. Experten meinen, hier wurde vorsichtig geschätzt. Sie gehen von 4 Milliarden Mehrkosten jährlich aus.

Was bringt die Pflegereform?

Wie genau die gesetzliche Pflegeversicherung nach der Reform aussehen wird, ist noch nicht im Detail bekannt. Fakt ist, dass die Bundesregierung das Pflegestufen-Modell ab 2017 neu strukturieren will. Patienten, die einen Neuantrag auf eine Pflegestufe stellen, sollen dann nicht mehr, wie bisher, nur in drei Stufen eingeordnet werden, sondern künftig in fünf. Dadurch hätten die Prüfer mehr Spielraum bei der Einordnung in die verschiedenen Grade der Pflegebedürftigkeit.

Demenzkranke erhalten mehr Förderung

Oberstes Ziel soll es sein, Demenzpatienten, die bislang so gut wie keinerlei Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung beziehen konnten und in die sogenannte Pflegestufe 0 eingestuft wurden, mehr zu unterstützen. Bislang konzentrierten sich die Kriterien der Pflegebedürftigkeitsprüfungen vor allem auf Menschen mit körperlichen Gebrechen.

Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums erklärte, die bisherigen Regularien und geplanten Pflegegrade nach der Reform seien „nicht miteinander vergleichbar“. Bereits Pflegebedürftige würden nicht schlechter gestellt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte dagegen, dass künftige Pflegebedürftige „in einem viel zu großen Ausmaß“ schlechter gestellt würden und forderte Nachbesserungen am neuen Modell.

Um eine vernünftige private Vorsorge für den Pflegefall werden Versicherte also auch nach der Reform nicht herumkommen.