Vor einigen Wochen hatten wir über eine Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung berichtet, das sogenannte Pflegestärkungsgesetz II. Insbesondere sollen Demenzkranke, die bisher nicht von der Pflegeversicherung profitieren, stärker unterstützt werden. Statt wie bislang drei wird es fünf Pflegestufen geben. Aufgrund vieler besorgter Mails unserer Leser, die angesichts der bevorstehenden Änderungen verunsichert sind, haben wir von pflegeversicherung-test.de nun die wichtigsten Details des neuen Pflegegesetzes zusammengetragen.
Darum geht es bei der neuen Pflegereform
Im Pflegestärkungsgesetz II soll neu definiert werden, wer Pflegebedürftig ist und wer nicht. Körperlich und geistig Erkrankungen sollen fortan gleichbehandelt werden, so der Plan. Demenzkranke fielen in der gesetzlichen Pflegeversicherung bislang beispielsweise in keine der drei Pflegestufen und hatten demzufolge auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegekasse. Um das künftig zu ändern, soll ein neues Begutachtungsverfahren Anwendung finden, das Versicherte statt in drei Pflegestufen nun in fünf sogenannte Pflegegrade einordnet.
Ab 2016 tritt das neue Modell in Kraft
Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde von Gesundheitsminister Hermann Gröhe bereits vorgelegt, im August soll er vom Bundeskabinett beschlossen werden. Verabschiedet werden könnte das Gesetz, nach einigen Beschlussempfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums, im November. Inkrafttreten soll es zum 1. Januar 2016, die Umstellung der Pflegegrade wird vorraussichtlich erst ab 1. Januar 2017 erfolgen.
Die Gründe für die Pflegereform?
In den vergangenen Jahren hat sich vielfach gezeigt, dass eine Beschränkung der Pflegeleistungen ausschließlich auf körperlich Beeinträchtigte nicht ausreichend ist. Als Hauptbewertungskriterien des Begutachtungsverfahrens galt bisher die Mobilität eines Versicherten, ob er sich beispielsweise selbstständig waschen, anziehen oder ernähren kann oder bei diesen Tätigkeiten auf die Unterstützung anderer angewiesen ist.
Für Demenzkranke ist ein solches Bewertungssystem jedoch vollkommen ungeeignet. Sie besitzen zwar die körperlichen Voraussetzungen für die nötige Mobilität, wären also theoretisch in der Lage, sich selbst zu versorgen, scheitern aber aufgrund ihrer Demenzerkrankung häufig daran, z. B. weil sie schlicht vergessen, zu essen. Demenzkranke benötigen in der Regel eine ebenso umfassende Betreuung wie Menschen mit körperlichen Defiziten. Dies soll nun im neuen Bewertungsmodell berücksichtigt werden.
Was sich für bereits Pflegebedürftige ändert
Aus drei Pflegestufen werden ab 2017 fünf Pflegegrade. Entscheidend ist bei der Einstufung die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen, also inwiefern er oder sie im Alltag die Unterstützung von anderen benötigt. Das viel kritisierte Minutenzählen der Prüfer soll damit wegfallen, die Beurteilung gerechter vonstatten gehen. Beurteilt wird künftig anhand von:
- Mobilität
- geistigen und kommunikativen Fähigkeiten
- Verhalten
- Selbstversorgung
- Umgang mit Erkrankungen und Belastungen
- sozialen Kontakten
Kriterien wie „geistige und kommunikative Fähigkeiten“ oder „soziale Kontakte“ sind neu und kommen Demenzerkrankten zugute. Bisher waren nur Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung Kriterien bei der Einordnung in die Pflegestufen. Für jeden Bereich werden je nach Grad der Beeinträchtigung Punkte vergeben und am Ende zusammengerechnet. Die Gesamtpunktzahl entscheidet über den zu vergebenden Pflegegrad.
Wichtig: Ein Herunterstufen auf weniger Leistungen als bisher bezogen werden, ist nicht möglich. Bestehende Pflegestufen werden in gleichwertige Pflegegrade umgewandelt.
Ein demenzkranker Versicherter der Pflegestufe I, der zu Hause gepflegt wird, entspricht künftig z. B. dem Pflegegrad drei und bekommt damit mehr Geld. Statt wie bisher 316 Euro erhält er ab 2017 545 Euro.
Pflegegrad eins kommt gänzlich neu hinzu und betrifft körperlich wenig Eingeschränkte. Zu den Leistungen von Pflegegrad eins gehören unter anderem eine Pflegeberatung zu Hause, Pflegehilfsmittel und Zuschüsse zum barrierefreien Wohnungsumbau in Höhe von maximal 4.000 Euro. Ziel ist es, Versicherten zu ermöglichen, so lange wie möglich zu Hause zu wohnen. Geht das nicht mehr, wird das Wohnen in einer betreuten Gruppe mit bis zu 205 Euro monatlich subventioniert. Entscheidet sich der Versicherte dennoch für ein Heim, erhält er nur 125 Euro Zuschuss.
Zusätzlichen Betreuungsleistungen
Auch nach der Reform wird es das Recht auf Pflegeberatung, Zuschüsse für Wohnungsumbau für barrierefreies Wohnen oder Hilfsmittel für die Pflege geben. Auch die vierwöchige Kurzzeitpflege oder Ersatzpflege bei Vertretung des Pflegenden Angehörigen, z. B. während des Urlaubs, wird weiterhin gefördert, und zwar mit bis zu 1.612 Euro im Jahr. Beide Leistungen sind kombinierbar.
Eine Änderung gibt es bei den zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen, wie Spazierengehen oder Vorlesen: Statt, wie bisher, Pflegebedürftige mit 104 Euro und stark Demente mit 208 Euro zu fördern, erhalten künftig alle 125 Euro als einheitlichen Entlastungsbetrag. Das Geld kann auch für Tagespflege, Kurzzeitpflege und Betreuungsangebote genutzt werden.
So werden die Beiträge steigen
Schon zum Beginn dieses Jahres gab es eine erste Reform mit einer Vielzahl an neuen Leistungen, die Beiträge stiegen von 0,3 Prozent an. Kinderlose zahlen aktuell 2,6 Prozent, Eltern 2,35 Prozent ihres Bruttolohns. Ab 2017 werden die Beiträge schließlich um weitere 0,2 Prozent steigen. Kinderlose zahlen dann also 2,8 Prozent, Eltern 2,55. Damit sollen die fünf Milliarden Euro eingenommen werden, die die Reform kosten wird.
Vergleich der Leistungen heute und nach der Reform
Weil die meisten unserer Leser sich fragen, auf welche Leistungen sie nach der Reform Anspruch haben, haben wir die aktuellen Bezüge von heute mit denen von 2017 in drei Tabellen vergleichen.
Pflege zu Hause
Wer sich zu Hause pflegen lässt, wird sich in keinem Fall verschlechtern. Alle Bezüge steigen, außer in der Pflegestufe III ohne Demenz, hier bleibt der Betrag von 728 Euro Pflegegeld, bzw. 1.612 Euro für den Pflegedienst gleich.
Aktuell | ab 2017 | ||||
Pflegestufe | Pflegegeld | Pflegedienst | Pflegegrad | Pflegegeld | Pflegedienst |
Ohne Demenz | |||||
I | 244 | 468 | 2 | 316 | 689 |
II | 458 | 1144 | 3 | 545 | 1298 |
III | 728 | 1612 | 4 | 728 | 1612 |
Mit Demenz | |||||
0 | 123 | 231 | 2 | 316 | 689 |
I | 316 | 689 | 3 | 545 | 1298 |
II | 545 | 1298 | 4 | 728 | 1612 |
III | 728 | 1612 | 5 | 901 | 1995 |
Härtefall | – | 1995 | 5 | 901 | 1995 |
Pflege im Heim
Auch bei der Pflege in einem Heim gibt es in fast allen Pflegestufen mehr Geld. Nur Versicherte der Pflegestufen I und II ohne Demenz, die laut dem neuen Modell in die Pflegegrade zwei und drei Fallen, würden nach der Reform weniger Geld bekommen. Wer bereits Bezüge erhält wird jedoch nicht heruntergestuft, sondern bekommt weiterhin denselben Betrag wie bisher von der Pflegekasse ausgezahlt. Wer ab 2017 zum Pflegefall wird, für den greifen dann die niedrigeren Beträge. Ebenfalls neu: Der Eigenanteil an den Kosten für die Heimunterbringung soll für Versicherte künftig auf 580 Euro festgelegt werden. Bislang stieg diese Selbstbeteiligung meist mit Höhe der Pflegestufe.
Aktuell | ab 2017 | ||
Pflegestufe | Monatliche Leistungen | Pflegegrad | Monatliche Leistungen |
Ohne Demenz | |||
I | 1064 | 2 | 770 |
II | 1330 | 3 | 1262 |
III | 1612 | 4 | 1775 |
Mit Demenz | |||
0 | – | 2 | 770 |
I | 1064 | 3 | 1262 |
II | 1330 | 4 | 1775 |
III | 1612 | 5 | 2005 |
Härtefall | 1995 | 5 | 2005 |
Tages- und Nachtpflege
Auch im Bereich der Tages- und Nachtpflege werden die Leistungen für alle Versicherten steigen.
Mit und ohne Demenz
Aktuell | ab 2017 | ||
Pflegestufe | Pflegegeld | Pflegegrad | Pflegegeld |
0 | 231 | 2 | 689 |
I | 689 | 3 | 1298 |
II | 1298 | 4 | 1612 |
III | 1612 | 5 | 1995 |