TV-Duell: Merkel und Steinbrück streiten über Pflege. Wer hat Recht?

Das einzige TV-Duell zwischen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück schlug hohe Wellen, nicht nur wegen Frau Merkels Halskette. Viele Themen wurden angesprochen, in 90 Sekunden sollten beide Probleme und Lösungen in Deutschland diskutieren. Auch das Thema Pflegeversicherung und Pflege-Bahr wurde behandelt; mit interessanten Ergebnissen.

Steinbrück: „Pflege-Bahr eine Kabarettnummer“

Peer Steinbrück

© Susie Knoll / SPD

Nach über einer Stunde im TV-Duell fragt Stefan Raab bei Herrn Steinbrück nach: „Was gibt es denn zu lachen, wenn der Bürger mehr Eigenverantwortung trägt und nicht immer nach staatlicher Finanzierung ruft?“ Hintergrund war eine Aussage Herr Steinbrücks, dass der Pflege-Bahr die „Kabarettnummer der Legislaturperiode“ sei. Die Zusatzversicherung, die mit 5 Euro monatlich gefördert wird, könnten sich die meisten Leute sowieso nicht leisten, nötig wäre eine umfassende Pflegereform. „Wir laufen in einen Pflegenotstand!“ stellt Steinbrück fest, und nicht nur an der Versicherung müsse gerüttelt werden: In den nächsten Jahren brauche man viel mehr Pfleger, besser bezahlt als jetzt. Es kann außerdem nicht sein, dass Auszubildende in vielen Pflegeberufen, ihre Ausbildung noch mitfinanzieren müssten. Der ganze Pflegebedürftigkeitsbegriff muss geändert werden, Demenz müssen anerkannt werden, Betroffene, Angehörige und Personal, für alle müsse etwas getan werden. Das von Frau Merkel ausgerufene „Jahr der Pflege“ ist doch wieder nur eine „Schachtel im Schaufenster“: Für den Wähler schön anzuschauen, aber nichts drin.

Merkel: Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz und verbesserte Ausbildung

Angela Merkel

© Foto: CDU / Dominik Butzmann

Schon als die Frage auf das Gesundheitswesen kommt, erwähnt Frau Merkel, dass sie stolz sei, auch auf unser derzeitiges Pflegesystem. Die Aussagen von Herrn Steinbrück, sie hätte nichts geschaffen, lässt sie nicht auf sich sitzen. Der Demenzbegriff ist schon längst in das verabschiedete Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (inklusive Pflege-Bahr) aufgenommen. 650.000 Menschen erhalten mehr Leistungen und immerhin hätten sie gemeinsam in den Konjunkturprogrammen festgelegt, dass die Ausbildung für Pflegekräfte verbessert wird. Sie gibt auch zu: Die Beiträge zur Pflegeversicherung werden steigen, der einfache Grund: Es gibt mehr Menschen. Mehr Menschen bedeutet auch mehr Senioren, von der demografischen Entwicklung mal ganz abgesehen. Den von Herrn Steinbrück flächendeckend geforderten Mindestlohn, hat sie in den Pflegeberufen schon längt eingeführt, um Lohndumping zu verhindern. Den Fachkräftemangel im Pflegebereich sieht sie ebenfalls, und erklärt, dass Bund und Länder schon daran arbeiten, sicherlich müsse aber noch mehr getan und entwickelt werden. Den Pflege-Bahr erwähnt sie explizit nicht, der ist aber in ihrem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz enthalten.

Angriff und Verteidigung

Wo Herr Steinbrück recht hat: Ja, in den nächsten Jahren werden mindestens 120.000 Pflegekräfte fehlen, Experten gehen sogar von noch höheren Zahlen aus. Frau Merkel aber wies geschickt darauf hin, dass immerhin gemeinsam eine verbesserte Ausbildung beschlossen wurde. Auch die Aussage des Herausforderers es hätte seit 2008 keine Reform der Pflegeversicherung gegeben, wird durch den Verweis auf das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz entkräftet. Allerdings weiß auch Frau Merkel, dass ihr viele Kritiker vorwerfen, diese Reform wäre bei Weitem nicht ausreichend. Die harte Kritik am Pflege-Bahr, der Zusatzversicherung benannt nach Gesundheitsminister Daniel Bahr, lässt Kanzlerin Merkel nicht an sich ran. Sie geht weder auf Steinbrücks etwas übertriebenen Vorwurf ein, die meisten könnten sich die Zusatzversicherung von mindestens 10 Euro monatlich gar nicht leisten, noch darauf, wie gering die Bezuschussung sei. Die Diskussion über die Pflegeversicherung lief ganz nach den Regel des TV-Duells ab: Steinbrück griff an, Merkel verteidigt. Wo die aktuelle Kanzlerin noch Verbesserungspotential sieht, möchte der Herausforderer nach der Bundestagswahl sofort eine Pflegereform in Angriff nehmen. Was uns tatsächlich erwartet: In 21 Tagen wissen wir mehr.