Die staatlich geförderte Pflegeversicherung boomt: Pro Tag werden derzeit rund 1600 Verträge abgeschlossen. Für das kommende Jahr rechnet die Branche mit dem Durchbruch der Marke von einer Million Verträgen. Dabei ist der „Pflege-Bahr“ nicht unumstritten
Nach Angaben des Verbands der Privaten Krankenversicherung kommt das Geschäft mit staatlich geförderten Pflegeversicherungen in Schwung. Im Januar waren – kurz nach der Einführung – pro Arbeitstag noch 240 Verträge abgeschlossen worden, im Juni bereits rund 1.000 pro Tag. Der PKV-Verband gibt sich nach Aussage seines Direktors Volker Leienbach optimistisch: „Angesichts der stark steigenden Nachfrage rechnen wir damit, dass die geförderte Pflegezusatzversicherung im nächsten Jahr die stolze Marke von einer Million Verträgen erreichen wird“.
Fünf Euro staatliche Förderung pro Monat
Derzeit laufen nach Verbandsangaben 270.000 Verträge. Weitere gut 60.000 seien unterschrieben und würden bald beginnen. Besonders häufig schließen dem Verband zufolge Menschen im Alter von 25 bis 35 die staatlich geförderten Zusatzverträge ab. Angeboten werden die Verträge von rund 25 Unternehmen, auf die in der privaten Krankenversicherung ein Marktanteil von mehr als 80 Prozent entfällt.
Fakten zum Pflege-Bahr
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5,00 Euro staatliche Förderung pro Monat
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10,00 Euro Mindesteigenanteil pro Monat erforderlich
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Kontrahierungszwang: Risikoprüfungen, Leistungsausschlüsse und Gesundheitsprüfungen sind nicht zulässig
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Feststellung des Leistungsfalls durch die zuständige Pflegekasse
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Maximal fünf Jahre Karenzzeit zulässig
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Abschluss- und Verwaltungskosten maximal zwei Monatsbeiträge bzw. 10% der Bruttoprämie
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Pflegemonatsgeld in Pflegestufe III mindestens 600 Euro
Seit Beginn des Jahres können Pflegetagegeldversicherungen mit fünf Euro pro Monat vom Staat gefördert werden. Dazu muss der Versicherungsnehmer einen Mindesteigenbeitrag in Höhe von 10,00 Euro monatlich aufbringen und der Vertrag einige Voraussetzungen im Hinblick auf die Leistungen erfüllen. (Tipp: Lassen Sie sich kostenlos beraten, ob ein Pflege-Bahr-Vertrag für Sie sinnvoll ist.)
Stiftung Warentest ist nicht überzeugt
Die Verträge sind allerdings nicht unumstritten. Das liegt zum einen daran, dass der Gesetzgeber den Versicherern untersagt, Risikozuschläge oder Gesundheitsprüfungen vorzunehmen. Muss jedes Risiko in den Versicherungsbestand aufgenommen werden führt das zwangsläufig zu einem ungünstigen Preis/Leistungsverhältnis für Kunden mit geringen oder durchschnittlichen Risiken.
Zu diesem Ergebnis kam im Frühjahr auch die Stiftung Warentest, die 17 Bahr-Tarife mit 23 konventionellen Policen verglich: „Gute Pflegetagegeldversicherungen können die Finanzlücke im Pflegefall schließen. Die staatlich geförderte private Vorsorge taugt dafür aber wenig.“ Die Verbraucherschützer bemängelten an den Verträgen vor allem die vielen Lücken im Versicherungsschutz: Einen erheblichen Teil der Kostenrisiken bei Pflegebedürftigkeit tragen Versicherungsnehmer in diesen Tarifen trotz ihrer Police selbst.
Billige Massenware mit unzureichender Beratung?
Wie lange die staatliche Förderung noch erhältlich ist bleibt abzuwarten und hängt auch vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen der CDU/CSU und der SPD ab. Die SPD hatte im Wahlkampf angekündigt, die Förderung abschaffen zu wollen. Ob die Unionsparteien das Projekt des FDP-Ministers Bahr fortschreiben ist ungewiss. Kritik an dem Modell kommt von allen Seiten: Timo Voß vom Bund der Versicherten bemängelt, dass „billige Produkte am Bedarf vorbei“ verkauft werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht sich dafür aus, den Pflege-Bahr auslaufen zu lassen.